Der Onlinehandel hat bereits heute die Logistik-Branche nachhaltig verändert. Nicht nur der stationäre Einzelhandel wurde von der Entwicklung überrollt, auch für die Logistik hat die Entwicklung tiefgreifende Veränderungen gebracht. Dennoch befindet sich der Ausbau des Onlinehandels noch immer in seiner Anfangsphase. In den kommenden Jahren sind enorme Veränderung für die Branche zu erwarten und noch immer ist nicht ganz klar, wo die Reise eigentlich hingeht. Diese Unsicherheit hat die Deutsche Post DHL zum Anlass genommen, sich in einer Studie eingehend mit der Zukunft des Onlinehandels und den Auswirkungen auf die Logistikindustrie zu beschäftigen. Unter dem Stichwort “Global E-Tailing” beschreibt die Studie vier Szenarien, wie sich der weltweite Handel auf das Konsumverhalten von Menschen, Händler und Logistik-Branche auswirken wird. “E-Tailing” ist eine Wortneuschöpfung aus dem amerikanischen Englisch und setzt sich zusammen aus “E” für elektronisch und Retail, was Einzelhandel bedeutet. Gemeint ist also globaler elektronischer Einzelhandel.

Die Aussagen über mittelfristig erwartbare Entwicklungen sind nicht als Blick in die Glaskugel zu verstehen. Vielmehr will die Deutsche Post DHL mit der Studie einen Denkanstoß geben, wie die Zukunft des internationalen Handels angesichts der technischen Revolutionen neu gedacht werden kann.

 

Das erste Szenario: “Hybrider Konsum in konvergenten Handelswelten”

Hier beschreiben die Autoren eine mäßig entwickelte Zukunft des Onlinehandels. Im Zentrum des Szenarios steht die Idee von hoch preissensiblen Kunden, die Güter und Waren fast ausschließlich nach Hause bestellen. Neben dem Weg über Online-Shops gibt es hier auch noch einen stationären Handel. Allerdings finden Kunden hier nicht viel mehr als einen Showroom, aus dem Waren nach Hause bestellt werden können. Dieses Szenario geht nur von einem mäßigen Wachstum der Weltwirtschaft aus, das nicht mehr von der alten Welt getrieben wird, sondern seine gesamte Dynamik aus Asien erhält.

Aus Sicht der Logistik-Branche bringt dieses Szenario vor allem eine Veränderung: mehr Fracht. Denn in dieser von der Studie beschriebenen Zukunftswelt werden fast alle Güter und Waren zum Abnehmer nach Hause geliefert. Das gilt nun nicht mehr nur in den alten Märkten in den USA und Europa, beliefert werden nun auch ländliche Regionen in Asien oder Afrika, wo es große Fortschritte beim Thema Zuverlässigkeit geben wird.
Die Gruppe der Konsumenten teilt sich größtenteils in zwei Gruppen. In den überalterten Bevölkerungen Nordamerikas, Europas und Japans, die es nicht mehr schaffen, mit der Produktivität jüngerer Gesellschaften mitzuhalten, wächst die Gruppe von Verbrauchern mit niedrigem Haushaltseinkommen. Diese treffen ihre Kaufentscheidung vornehmlich mit Blick auf den Preis und fokussieren auf Discount-Anbieter. Nur selten leistet sich diese Gruppe ein teures Premiumprodukt. Auf der anderen Seite der sozialen Schere gibt es eine kleine Gruppe von Konsumenten, die nicht so sehr auf den Preis und eher auf den Komfort achtet.

Zwei weitere Faktoren sieht die Studie in diesem Szenario kommen. Der internationale Handel wird weiter wachsen und Produkte werden vermehrt von Händlern im Ausland bestellt. Außerdem wird die Anspruchshaltung der Kunden in Bezug auf die Lieferungen immer höher. Waren sollen, wann immer möglich noch am selben Tag geliefert werden. Eine Lieferung spätestens am Folgetag wird zum Normalfall werden. Die Logistikindustrie kann sich gegen diesen Druck kaum zur Wehr setzen, dieses Leistungsniveau wird durch starke Konkurrenz erzwungen werden.

Eine weitere Entwicklung, die sich bereits heute abzeichnet, steht in diesem Szenario im Fokus: die Analyse großer Datenmengen. Kaum ein Gerät wird mehr unvernetzt sein, viele Haushaltsgeräte können aus der Ferne gesteuert werden. Der unermessliche Datenschatz wird von wenigen global agierenden Werbeunternehmen gesammelt und ausgewertet.

 

Das zweite Szenario: “Selbstinszenierung in virtuellen Gemeinschaften”

Hinter diesem Szenario verbergen sich blumige Aussichten. Die Weltwirtschaft wächst mit großen Sprüngen global. Wohlhabende Mittelschichten organisieren sich in Communitys und kreieren ihren eigenen Lifestyle. Der Welthandel blüht dank des Abbaus zahlreicher Handelsschranken auf. Weltweit setzen sich die Ideen liberaler Wirtschaftspolitik durch.

Die in den neuen Mittelschichten gebildeten Communitys prägen dieses Szenario. Sie bilden abgeschottete Blasen, in denen individuelle Erlebnisse geteilt werden. Der Handel hat von außen nur schwer Zugriff auf diese Communitys, weshalb Werbung und Vertrieb innerhalb der entstandenen globalen Online-Blasen tätig werden muss. Mit der Verbreitung von sogenannten Wearables ist die Gemeinschaft ständig vernetzt. Dadurch entstehen gigantische Datensammlungen zu individuellem Verhalten, individuell angepasste Produkterlebnisse möglich machen. Erlebnisse stehen im Mittelpunkt des ständig online geteilten Lebens. Der Onlinehandel zeigt sich entsprechend diversifiziert und bietet neben großen Marken für den Mainstream auch kleine Handelsplattformen für den individuellen Geschmack. Auch Authentizität und Echtheit von Waren wird in diesem Szenario an Bedeutung gewinnen.
Für die Logistik-Branche erwartet die Studie durch die beschriebene Entwicklung bedeutende Veränderungen. Die Anpassung an geschlossene Communitys als Kundengruppen erfordert von Logistikern, eine gewisse Zugehörigkeit zu schaffen. So gehört zu ihren Aufgaben nicht mehr nur die Zustellung von Waren, sondern auch deren Beschreibung, Erklärung und auch Werbung und Verkauf. Auch beim Punkt Individualisierung wird die Logistik gefragt sein. Für kleinere Unternehmen eröffnet sich damit die Chance, sich in eigenen Nischen zu etablieren. Zum Beispiel ist ein hohes Maß an Flexibilität bei Liefergeschwindigkeit und Ort der Lieferung gefragt. Die einfache Lieferung an die Haustür im Laufe des Tages wird den gestiegenen Ansprüchen nicht mehr gerecht.

Damit der innerstädtische Verkehr unter dem explodierten Onlinehandel nicht kollabiert, führen Kommunen strenge Regeln ein. Für Unternehmen der Logistik-Branche bedeutet das, wichtige Allianzen zu schmieden und gemeinsame Lieferungen zu organisieren, um das Verkehrsaufkommen im Griff zu behalten.
Auch für den stationären Einzelhandel sieht dieses Szenario trotz Konzentration auf den Onlinehandel eine Zukunft. Die Einkaufsstätten werden sich zu Erlebniszentren weiterentwickeln und sich an die individuellen Wünsche der Communitys anpassen.

 

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Das dritte Szenario: “Künstliche Intelligenz im digitalen Handelskosmos”

Dieses Szenario konzentriert sich ganz auf die zu erwartende technische Revolution und stellt die Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz (kurz: KI) in den Vordergrund. Handel wird sich vornehmlich online abspielen. Darin unterscheidet sich diese Version nicht von den anderen Szenarien. Zentraler Bestandteil des Onlinehandels wird allerdings die intelligente Beratung und Versorgung mit Waren sein. Elektronische Kaufberater werden sich um die Interessen der Kunden kümmern und intelligente Handelsplattformen werden Produkte bereits versenden, bevor sie gekauft wurden. Als Besteller von Waren werden außerdem nicht mehr nur Menschen auftreten. Auch die Waschmaschine, die Toilette oder der Kühlschrank sind mit Handelsplattformen vernetzt und wissen, wann für den Besitzer nachbestellt werden muss. Die Folge sind vollständig abgeschlossene Lieferketten bis zur letzten Meile. Die Aufgabe der Logistiker wird in diesem Szenario hauptsächlich durch Onlinehändler selbst übernommen.
In der Logistikindustrie reagiert man auf diese Entwicklung mit hoch spezialisierten Angeboten. Dazu können zum Beispiel besonders gesicherte Transporte zählen. Auch durch einen besonderen Service, wie zum Beispiel die Zustellung in eigens aufgestellte intelligente Paketboxen sind denkbar. Für Unternehmen bedeutet diese erforderliche Anpassung hohe Investitionen. Nur große Konzerne werden sich in diesem Wettbewerb durchsetzen können.

 

Das vierte Szenario: “Kollaborativer Konsum in einer regionalisierten Handelslandschaft”

Dieses Szenario geht von einer schweren Wirtschaftskrise aus, die die Weltwirtschaft erschüttern wird. Teure und knappe Rohstoffe werden zudem den globalen Handel einschränken und die Wirtschaft auf regionale Versorgung stutzen. Hier findet die derzeit wachsende Sharing-Economy Erwähnung. Insgesamt wird von einer Regionalisierung des Handels ausgegangen. Die Regionalisierung hat einen starken Rückgang der Güter- und Warentransporte zur Folge und bedeutet eine Verringerung der Transportvolumina. Für Logistiker bietet daher die aufstrebende Sharing-Economy alternative Geschäftsmöglichkeiten. Statt sich auf die Lieferung von Waren zu konzentrieren, werden nun auch andere Dienstleistungen angeboten. Möglich sind zum Beispiel die Reparatur von Geräten, der Austausch von Altgeräten und die Beratung. Logistiker werden in diesem Szenario nicht durch Handelsriesen verdrängt, sondern können selbst in den Handel einsteigen.

 

Fazit: Was folgt aus der Studie?

Die Studie zur Zukunft der Logistikindustrie hatte nicht das Ziel, die Zukunft vorherzusagen. Eine solche Interpretation kann den Ergebnissen der Arbeit auch nur schaden. Dagegen ging es den Autoren darum, einen Denkanstoß zu geben und Optionen zu öffnen, auf welche Entwicklungen sich die Logistik-Branche in den kommenden zehn Jahren einzustellen hat. Dabei sollten die aufgestellten Szenarien keinesfalls als ausschließende Zukunftsvisionen missgedeutet werden. Vielmehr ist zu erwarten, dass verschiedene Entwicklungen unterschiedlich stark gleichzeitig auftreten werden. Die Entwicklung der Weltwirtschaft insgesamt ist schwer vorherzusehen. Logistiker sollten sich daher auf verschiedene Optionen gleichermaßen vorbereiten. Andere Entwicklungen wie zum Beispiel die Rolle neuer Technologien, universelle Vernetzung und die Zunahme des Onlinehandels sind schon heute sehr wahrscheinlich. Viele Entwicklungen haben sogar bereits begonnen. Wer hier die Trends nicht verschlafen will und auf dem Logistik-Markt der Zukunft noch relevant sein möchte, muss in diesen Feldern jetzt konsequent handeln.

Auch wenn eine verlässliche Prognose nicht möglich ist, so lässt die Studie dennoch einen klaren Schluss zu. Welche Veränderungen in Zukunft die Logistik revolutionieren werden bleibt unklar. Dass es diese revolutionären Entwicklungen geben wird ist dagegen schon heute sicher.

 

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