Vor über einem Jahr begann der russische Angriffskrieg in der Ukraine, was eine entscheidende Veränderung für Wirtschaft, Logistik, Politik und Gesellschaft darstellte. Die Sicherheitsarchitektur in Europa muss nun neu aufgebaut werden, während sich die Wirtschaftsbeziehungen mit Osteuropa neu ordnen. Die Entflechtung der wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und Russland hat bereits begonnen und wird laut dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft auch in diesem Jahr fortgesetzt.

Die Exporte nach Russland sind im Jahr 2022 um ca. 50 Prozent zurückgegangen und haben sich damit statistisch gesehen um 20 Jahre zurückentwickelt. Jedoch konnten die drastischen Einbußen durch zweistellige Exportsteigerungen in anderen Märkten weitgehend ausgeglichen werden. In absehbarer Zukunft wird es auch sehr wahrscheinlich keine normalen Wirtschaftsbeziehungen mehr mit Russland geben, es sei denn, es kommt zu einer grundlegend anderen Regierung in Moskau.

Die schnelle Entkopplung von Russland ist nur teilweise auf die Sanktionspakete der EU zurückzuführen ist. Viele deutsche Unternehmen, die Geschäfte mit Russland betrieben haben, gehen über das von den Sanktionen Geforderte hinaus. Viele von ihnen haben ihre Geschäftstätigkeit eingestellt oder befinden sich im Prozess der vollständigen Abwicklung ihrer Geschäfte in Russland. Lediglich in Branchen, die explizit von den EU-Sanktionen ausgenommen sind, wie dem Gesundheits- und Agrarsektor, gibt es weiterhin mehr oder weniger normale Geschäftsbeziehungen.

Im Jahr 2022 erreichte der Handel zwischen Deutschland und Mittel- und Osteuropa mit 562 Milliarden Euro einen neuen Höchststand. Die 29 Länder Mittel- und Osteuropas trugen weiterhin mehr als 18 Prozent zum gesamten deutschen Außenhandel bei, was erneut mehr ist als der Handel mit China und den USA zusammen. Polen ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands in Osteuropa, gefolgt von Tschechien und Ungarn.

Dank einer gemeinsamen Anstrengung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist es gelungen, die Umstellung der Wirtschaftsbeziehungen ohne Rezession zu bewältigen. Russland hingegen befindet sich in einer langanhaltenden Krise und es wird mit einer „Primitivierung der Wirtschaft“ gerechnet.

Eine positive Entwicklung ist die politische Annäherung zwischen der Ukraine und der EU. Dies ist wichtig für Unternehmen, die trotz des russischen Angriffs weiterhin in der Ukraine tätig sind. Diese Unternehmen setzen große Anstrengungen ein, um ihre Lieferketten aufrechtzuerhalten. Die Logistik für Ukraine ist teurer und schwieriger geworden, und Transporte dauern länger. Es gibt auch weitere Probleme bei der Energieversorgung, der Verfügbarkeit von Personal und Versicherungen.

Darüber hinaus gewinnen andere Regionen wirtschaftlich an Bedeutung für den Westen, wie Südosteuropa, der Südkaukasus und Zentralasien. Diese Regionen spielen beispielsweise als Standorte für Near-Shoring oder als Rohstoffquellen für die Energiewende eine wichtige Rolle.

Es ist festzustellen, dass der Handel mit der Ukraine im Jahr 2022 um nur sieben Prozent zurückging, was angesichts der dramatischen Lage geringer ist als erwartet, und seit Herbst sogar eine Erholungstendenz zeigt. Deutsche Unternehmen im Land haben ihre Produktion, wo immer möglich, aufrechterhalten oder schnell wiederhergestellt. Die deutsche Wirtschaft engagiert sich auch intensiv für die schnelle Reparatur der zerstörten Infrastruktur und den langfristigen Wiederaufbau des Landes.

Gemäß dem Statistischen Bundesamt beliefen sich die deutschen Exporte in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS ohne Russland) im Jahr 2022 auf Waren im Wert von 7,7 Milliarden Euro, während Waren im Wert von 9,6 Milliarden Euro von dort importiert wurden. Dies entspricht einer Steigerung der Exporte in die GUS-Staaten um 62,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und einer Steigerung der Importe aus den GUS-Staaten um 71,0 Prozent.

Kasachstan war das Hauptziel der deutschen Warenexporte in die GUS-Staaten im Jahr 2022 mit einem Wert von 2,8 Milliarden Euro. Die Exporte nach Kasachstan stiegen damit um fast das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr (+94,9 Prozent). Kasachstan stieg in der Rangfolge der wichtigsten Empfängerländer deutscher Waren von Platz 62 im Jahr 2021 auf Platz 52 im Jahr 2022. Auch bei den Importen kamen die meisten Waren aus den GUS-Staaten aus Kasachstan. Die Importe aus Kasachstan stiegen im Jahr 2022 um 87,6 Prozent auf ca. 7 Milliarden Euro. Die wichtigsten importierten Güter aus Kasachstan waren Erdöl und Erdgas im Wert von 6,1 Milliarden Euro (+81,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr).