Russland, Iran und andere Anrainer beenden jahrzehntelangen Streit

Im August 2018 haben die Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres ein historisches Dokument unterzeichnet. Nach mehr als 20 Jahren Verhandlungen stellten die Staatschefs von Russland, Aserbaidschan, Turkmenistan, Kasachstan und Iran in Aktau, der Hauptstadt Kasachstans, ein Dokument vor, das wichtige Fragen über den Status des Rohstoffreichen Gewässers klärt. Andere wichtige Punkte wie beispielsweise die genaue Grenzziehung und somit die jeweiligen Ansprüche an den Rohstoffvorkommen bleiben vorerst offen.

 

Fischgründe und Bodenschätze

Die Aufteilung des Kaspischen Meeres hat aufgrund großer Vorkommen an Rohstoffen und Fischgründen eine besondere Brisanz. Unter dem Boden des Gewässers werden fast 50 Milliarden Barrel Erdöl und mehr als 8 Milliarden Kubikmeter Erdgas vermutet. Auch große Fischreviere locken Unternehmen aus der ganzen Welt in die Region. Weil sich die Anrainer bisher allerdings nicht auf den Status des Gewässers und damit auf die exakte Grenzziehung einigen konnten, war eine Ausbeutung der Reserven nicht möglich. Aserbaidschan, Russland und Turkmenistan hatten allerdings bereits in der Vergangenheit damit begonnen, erste Rohstoffe zu fördern. Dabei war häufig auch die Marine zum Einsatz gekommen, um die Arbeiten gegen andere Staaten der Region abzuschirmen.

 

See oder Meer: Die bizarre Frage des Status

Vordergründig dreht sich die Frage um den Status um das Kaspische Meer um einen banalen Streit um Worte. Die Anrainer konnten bisher nicht einvernehmlich klären, ob es sich bei dem Gewässer um ein Meer oder um eine See gemäß internationalen Standards handelt. Die Frage ist deshalb so entscheidend, weil die Entscheidung entweder für den Meeresstatus oder den Seestatus auch darüber entscheidet, welche Verfügung die angrenzenden Staaten über das Wasser und die darunter lagernden Rohstoffe haben. Handelte es sich beim Kaspischen Meer um einen See, müsste die Fläche gleichmäßig unter den angrenzenden Staaten aufgeteilt werden. Entschiede man sich dagegen für den Status als Meer, entfielen mehr als 30 Prozent an Kasachstan während, sich der Iran mit lediglich 15 Prozent abfinden müsste.

 

Gaspipeline wichtiges Streitthema

Turkmenistan hat ein besonderes zusätzliches Interesse an einer Klärung des Status. Das Land möchte mit einer neuen Pipeline Erdgas nach Europa transportieren. Das Projekt der Transkaspischen Pipeline findet vor allem in Europa viel Zuspruch. Die Union erhofft sich davon, weniger von russischem Erdgas abhängig zu werden. Russland dagegen fürchtet um eine wichtige Einnahmequelle und ein starkes politisches Druckmittel. Auch der Iran ist ein Gegner des Projekts. Zusammen mit Russland hat das Land bisher den bau verhindert und auf Risiken für das sensible und reichhaltige Ökosystem verwiesen. Die im Kaspischen Meer lebenden Störe sind für Iran eine wichtige Quelle für den besten Kaviar der Welt. Welche ökologischen Bedenken Russland dagegen vorbringen sollte bleibt unklar. An anderer Stelle tritt das Land nicht gerade als herausragender Umweltschützer auf. Allerdings haben auch Ökonomen Zweifel an der Rentabilität des Projekts. Eine aktuelle Studie der Oxford-University kommt zu dem Ergebnis, dass der Transport von Erdgas nach Europa auch mit der neuen Pipeline zu teuer sein dürfte.

 

Gemischte Reaktionen auf neues Abkommen

Aus den betroffenen Staaten kommen derweil gemischte Reaktionen auf die jüngste Einigung. Während Nursultan Nasarbajew, Präsident Kasachstans, von einer neuen Verfassung spricht, zeigt sich Hassan Rohani, Irans Präsident, skeptisch. Der Nachrichtenagentur Interfax sagte er, der rechtliche Status des Kaspischen Meeres bleibe vorerst ungeklärt, die Aufteilung der Bodenschätze ist nicht geklärt. Damit bleibt ein wichtiges Problem ungelöst. Andere Fragen, vom Naturschutz über Rechte beim Fischfang oder Probleme bei der Navigation von Schiffen konnten dagegen beantwortet werden. Grundsätzlich ist die Frage Meer oder See schwer zu beantworten. Durch seine Größe, die Zusammensetzung des Wassers und des Bodens hat das Gewässer zahlreiche Eigenschaften eines Meeres. Auf der anderen Seite ist das Kaspische Meer ein Binnengewässer, das keine direkte Verbindung zu den Weltmeeren hat eher ein See. Das neue Abkommen löst diesen Konflikt politisch, indem es dem Gewässer einen Mischstatus zuerkennt, auf dessen Regulierung sich die Anrainerstaaten im Einzelnen einigen müssen. Damit ergeben sich neue Spielräume, die im internationalen Recht bisher nicht offenstanden.

 

Einigung bei Militärpräsen

Auf einem anderen brisanten Gebiet gab es dagegen eine eindeutige Einigung. Streitkräfte aus Drittstaaten, so haben sich die Staatsführer geeinigt, sollten in dem Gewässer nicht stationiert werden dürfen. Das lag besonders im Interesse Russlands, das mit seiner starken Marine einen exklusiven Status erhalten will. Überlegungen Kasachstans, die Küste für die US-amerikanische Marine zu öffnen, sind damit erst einmal vom Tisch. Russland sichert sich damit seine Einflusszone in der Region und grenzt die Nato erfolgreich aus den Gewässern des Kaspischen Meeres aus. Damit verschafft sich Russland zugleich eine Stärkung seiner Position in künftigen Verhandlungen über die Ausbeutung der Rohstoffe unter dem See-Meer.

 

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