Kasachstan wird jährlich zunehmend von internationalen Containertransit geprägt. Im Jahr 2019 erhöhte sich das Transitaufkommen um fast ein Viertel verglichen zum Vorjahr. Die Kasachische Eisenbahn profitiert ganz klar vom Containertransit. Doch auch angrenzende Staaten in der Region wollen daran verdienen. Um kasachisches Staatsgebiet zu umgehen, wurde Mitte 2020 eine Trasse von China nach Usbekistan ausgebaut und in Betrieb genommen.

Der Transit zwischen China und Europa und vice versa verläuft überwiegend durch Kasachstan – wie traditionell üblich. Bis Juni 2020 existierten dafür drei unterschiedliche Trassen: Per Direktweg aus China nach Sabajkalsk in Russland, über die Mongolei aus China nach Russland oder eben über Kasachstan aus China nach Russland. Von Russland erfolgt der Transport der Fracht über Belarus nach Europa. Vorstandsvorsitzender der Kasachischen Eisenbahnen (Qazagstan Temir Zholy), Sauat Myńbaev, erklärte bei einer Besprechung des Vorstandes des Staatsfonds Samruk-Kazyna im Juni, dass der Anteil am Transit sogar noch erhöht wurde. Innerhalb von vier Monaten sei die Marke von 91 Prozent am Anteil aller drei möglichen Trassen geknackt worden. Sogar eine Verringerung des Anteils der anderen beiden Trassen sei verzeichnet worden.

In Zahlen bedeutet diese Aussage, dass in den Monaten Januar bis einschließlich April 2020 insgesamt 123 800 TEU Fracht (kurz für Twenty-foot Equivalent Unit – allgemeine Maßeinheit im Containertransport) über Kasachstan, genauer die Stationen Dostyq und Altynkól, aus China nach Europa transportiert wurden. Ein Plus von 48.5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019 ist daraus erkennbar. Der Transport von Fracht über Russland nahm um 15,2 Prozent ab mit 79 000 TEU Fracht und vor allem die Mongolei verzeichnete ein deutliches Minus von 65,1 Prozent mit lediglich 26 000 TEU Fracht. Zudem wächst die Transitstrecke von China über Saryaģash in Kasachstan, über die Waren nach Afghanistan und andere zentralasiatische Länder gelangen. In den ersten vier Monates des Jahres 2020 handelte es sich um 65 000 TEU Fracht, was einem Plus von 26 Prozent entspricht.

Der Wettbewerb um den Transit nach Europa aus Zentralasien ist damit jedoch längst nicht vollständig erfasst, denn weitere Länder wollen mitmischen. Seit dem 5. Juni verbindet eine neue Trasse das Logistikzentrum in Lanzhou in der Provinz Gansu, China, mit Taschkent. Auf dieser erfolgt der Frachttransport bis Kaschgar per Zug und anschließend per Lastwagen nach Osch in Kirgisistan, wo eine erneute Verladung auf Züge erfolgt. 230 Tonnen Elektrogeräte mit einem Wert von 2,6 Millionen US-Dollar wurden auf diesem Weg am 5. Juni erstmals nach Taschkent transportiert. Auf dem Rückweg nach China waren Züge und Lastwagen mit 535 Tonnen Baumwollgewebe aus der Region im Wert von 1 Million US-Dollar beladen. Erwartungen zufolge stellt diese neue Trasse einen ersten Teil eines internationalen Korridors dar, der Kasachstan und Russland als Transitländer umgeht beim Frachttransport von China nach Europa. Teil zwei inkludiert turkmenisches, aserbaidschanisches, georgisches sowie türkisches Staatsgebiet.

Das Umladen der Fracht in mehrfacher Ausführung auf der Trasse China – Kirgistan – Usbekistan wird notwendig aufgrund der problematischen Oberflächengestalt des Gebietes, so Dmitri Abdullaev, Generaldirektor der Firma KTZ Express – es handelt sich dabei um einen Anbieter im Containerbetrieb. Dementsprechend beläuft sich die Transportdauer auf 12 Tage zwischen Kaschgar und Taschkent, wohingegen die Strecke Altynkól – Taschkent innerhalb von eineinhalb beziehungsweise zwei Tagen zurückgelegt werden kann.

 

Inwiefern ist die neue Trasse eine Bedrohung für Kasachstan?

Aufgrund der erwähnten problematischen Oberflächengestalt sowie der Wetterbedingungen im Winter wird die neue Trasse nach Zentralasien im Winter nicht nutzbar sein, vermutet Zeınolla Ahmedzhanov, Direktor der Abteilung für Entwicklung von Transit- und Transportlogistik des kasachischen Ministeriums für Industrie- und Infrastrukturentwicklung. Zudem sinkt die Attraktivität der Trasse aufgrund der Notwendigkeit, die Fracht zweimal umzuladen – dies kostet zusätzlich. Auch die erforderliche Bürokratie könnte eine zusätzliche Schwierigkeit darstellen, denn der Transport erfolgt über mehrere Staatsgrenzen.

Dennoch äußerte sich Saut Shynybaev, stellvertretender Generaldirektor der internationalen Vereinigung „Transkaspische internationale Transporttrasse“ (TMTM), gegenüber des Forums „Magistrale“ positiv zur neuen Trasse: Sie hat „eine Chance hat, attraktiv zu werden“, auch wenn derzeit nur geringe Frachtmengen von China über Kirgistan transportiert würden. Er fügte erklärend hinzu, dass eine Gefährdung für das Transitaufkommen durch eine konkurrierende Trasse eintreten könnte im Falle eines Ausbaus der Bahnverbindung durch die beteiligten Länder. Auch sprach Shynybaev von Betriebsstörungen im kasachischen Altynkól und Dostyq, welche die Verantwortlichen dazu zwingen, ebenfalls auf Warenumladungen auf Lastwagen zurückzugreifen im Bedarfsfall.

 

Könnte der enge Transportkorridor Kasachstans verbreitert werden?

Laut des Direktors des internationalen Koordinationszentrums für Güterzüge China – Europa der Vereinigung für Transport und Infrastruktur der Volksrepublik China, U Jing Yu, sei die Einrichtung alternativer Trassen auf kasachischem Gebiet kein Problem. Viel problematischer sei das rasante Wachstum des Transits, aufgrund dessen es bereits zu Staus von Zügen sowie Lieferbegrenzungen und Umladungen in Dostyq und Altynkól kam. Mehr Transit, mehr Probleme, erklärte U Jing Yu: Im Frachtverkehr konnten in den letzten Monaten gewaltige Anstauungen verzeichnet werden, auch Betriebsprobleme an den Grenzübergangsstellen Kasachstans seien verzeichnet worden. Diese beruhten auf einem zu kleinen Fuhrpark gemessen am Frachtaufkommen. Kasachstan ist dementsprechend aufgefordert, diese Probleme zu lösen. Die Konkurrenzfähigkeit der kasachischen Eisenbahntransitkorridore soll erhöht werden und entsprechende Pläne zur Umsetzung wurden bereits angekündigt. Basierend auf weniger administrativen Barrieren, modernerer Infrastruktur, optimierter Tarifpolitik und erhöhtem Containerservice soll diese steigen – der Güterverkehr würde dadurch beschleunigt. Güterzüge sind bereits jetzt nicht mehr von Zollkontrollen betroffen – eine schnellere Grenzüberquerung ist dadurch gewährleistet.

Die Betriebsstörungen im kasachischen Antynkól und Dostyq haben eine Verringerung des Anteils Kasachstans am Gesamttransit zwischen China und Europa und vice versa zur Folge – von 91 Prozent zwischen Januar und April auf 89 Prozent zwischen Januar und Juni. Dennoch kann eine eindeutige Vergrößerung des Transitaufkommens auf kasachischem Gebiet verzeichnet werden: Zwischen Januar bis Juni konnte ein Plus von 96 Prozent verzeichnet werden, was 26 110 TEU Fracht entspricht. China schickte 10 680 Container, ein Plus von 32 Prozent, über Kasachstan nach Zentralasien. Nur auf der Trasse Ferner Osten – Zentralasien verringerte sich der Transit um 19 Prozent im Vergleich zum vorangegangenen Jahr: Insgesamt belief sich der Transport auf 4170 TEU Fracht. Abdullaev führt aus, dass der Grund dafür die Verlegung des Frachtaufkommens auf die Trasse China – Zentralasien – China sei. Es kam zum Abschluss eines Vertrages mit Herstellern von Fahrzeugteilen aus Korea, wodurch die Fracht nun über chinesisches Gebiet über kasachisches und weiter nach Usbekistan transportiert werde, direkt in die Fabrik General Motors. Ein Gesamtanstieg des Containertransports über Kasachstan von 54 Prozent, also bis zu 45 020 TEU, konnte im ersten Halbjahr 2020 verzeichnet werden.

 

Geschwindigkeit und Transit stehen an erster Stelle

Die Nachbarländer Kasachstans planen Umgehungen, während der Frachtverkehr von Kasachstan nach Aserbaidschan, in die Türkei sowie Ost- und Südeuropa längst regulär stattfindet. Rahmetolla Kudaıbergenov, Generalsekretär der TMTM, erklärte, dass die TMTM, welche die Trasse betreut, Transitmöglichkeiten in die genannten Regionen zur Verfügung stellen könne. Der Streckenabschnitt Altynkól bis zum Hafen Aqtaý beträgt 3128 Kilometer – diese können innerhalb von drei Tagen zurückgelegt werden. Einmal wöchentlich werden 225 Container Fracht durch das Containerschiff der Forma Kazmortransflot in den Hafen von Baku gebracht – und das bereits seit 16. April 2019. Nach Ankunft werden die Container auf Züge verladen und über Georgien weiter in die Türkei transportiert. Der Gesamtzeitraum des Transports aus dem chinesischen Xi‘an nach Istanbul in der Türkei beträgt im Normalfall zwölf Tage.

Die Transitbewegungen in Kasachstan sind regelmäßig, so Abdullaev. Einmal wöchentlich, an jedem Samstag, verlässt ein Güterzug Altynkól, um die Fracht nach Baku (Aserbaidschan)  zu bringen. Jeden Mittwoch verlässt ein Containerschiff Aqtaý mit Ziel Baku – dabei spiele es keine Rolle, ob dieses voll beladen sei. Unregelmäßiger verkehre ein anderes Containerschiff von Türkmenbaşy in Richtung Baku. Vergleiche man Schnelligkeit, Kosten und die Einhaltung der Lieferzeiten bei der Frachtzustellung, so sei kein Risiko für die transkasachische Trasse erkennbar – dies gelte auch für den Fall, dass Alternativen aufgebaut würden. Eine Verringerung der Transportzeit beim Containertransit sei allerdings durchaus machbar, gestand Abdullaev. Er erklärte, dass die Transportgeschwindigkeit in Russland höher sei und aus diesem Grund die Russische Föderation als Vorbild gelte. Laut Abdullaev werden auf russischem Gebiet täglich Strecken von 1200-1250 Kilometer zurückgelegt. Eine langsame, aber sichere Steigerung der Geschwindigkeit auf kasachischem Gebiet erfolge bereits, so der Generaldirektor von KTZ Express.

 

Quelle: https://kursiv.kz