Die „Neue Seidenstraße“ ist das prestigeträchtige Zukunftsprojekt der chinesischen Regierung. Das Ziel ist eine Vernetzung des asiatischen Wirtschaftsraums mit Europa und Afrika unter der Führung Chinas. Inzwischen hat Peking mit über 100 Ländern Abkommen abgeschlossen und sie in das Projekt integriert. Darunter sind auf europäischer Seite vor allem die Staaten Osteuropas, aber auch die EU-Mitglieder Italien, Griechenland und Ungarn. Die Einbindung funktioniert über Investitionszusagen der chinesischen Regierung, die durch die chinesische Staatsbank gegenfinanziert werden. Gefördert werden große strategische Infrastrukturprojekte wie See- und Flughäfen, Bahnlinien, Straßen oder Kraftwerke und Pipelines. Daneben entstehen in den Partnerländern Industrieparks, die auf den Bedarf und die ökonomische Strategie Chinas ausgerichtet sind. Die chinesischen Mittel sind zumeist an die Vergabe der Projektierung und Durchführung an chinesische Unternehmen verbunden, so dass circa 90 Prozent der Aufträge in chinesischer Hand bleiben. Die „Neue Seidenstraße“ soll den globalen Einfluss Chinas entscheidend erweitern und das Land als dominierenden Global Player etablieren.

 

Belarus als strategischer Partner

Der Weg nach Europa und auf den russischen Markt führt für Peking über Belarus. Die geographische Lage des Landes und seine bislang stabile politische Struktur, machten Minsk zum wichtigen und bevorzugten Partner Chinas. Seit dem Jahr 2015 hat China Belarus Kreditlinien von über 8 Milliarden Euro bewilligt, von denen marode Staatsunternehmen saniert und etliche Infrastrukturprojekte finanziert wurden. Die Zusammenarbeit gründet sich unter anderem auf die ausgezeichneten politischen Beziehungen zum Regime Lukaschenko, das seit 26 Jahren über Belarus herrscht. Zu den Vorzeigeprojekten der „Neuen Seidenstraße“ in Belarus gehören der Bau eines Kaliwerks in Starobin (gefördert mit 1,4 Milliarden Euro), ein Zellstoffwerk (628 Millionen Euro) und der Aufbau einer Futtermittelproduktion (654 Millionen Euro). Der Kern des chinesischen Engagements in Belarus allerdings ist das größte Infrastrukturprojekt der Seidenstraße überhaupt, der „Great Stone Industrial Park“ mit einer Investitionssumme von 2,5 Milliarden Euro.

 

Belarus als Erfolgsgarant der „Neuen Seidenstraße“

In der Nähe von Minsk entsteht auf 112 Quadratkilometern das Vorzeigeprojekt der globalen chinesischen Machtansprüche. Der gigantische Great Stone Industrial Park ist weit mehr als ein klassischer Industrie- und Technologiepark, er ist die geplante Schnittstelle zwischen den asiatischen Märkten und Europa. Deshalb genießt das Projekt die höchste Aufmerksamkeit der Regierung in Peking, deren Europakonzeption auf diesem teuersten Einzelprojekt der Seidenstraße aufbaut.

Die politischen Beziehungen zwischen China und Belarus waren bislang von einem weitgehenden Einverständnis geprägt, das nicht zuletzt aus einer ideologischen Nähe der Regime herrührte. Die chinesische Führung setzt auf Lukaschenko als verlässlichen Partner und blickt mit Besorgnis auf die neuesten innenpolitischen Entwicklungen und auf die drohende Destabilisierung. Seit dem Start der im Englischen als Belt and Road Initiative (BRI) bezeichneten politischen und ökonomischen Offensive, investierten chinesische Unternehmen rund 1,6 Milliarden Euro in Belarus wie der China Global Investment Tracker festhält und trug auf diese Weise erheblich zu einer Stabilisierung des Regimes bei.

 

Belarus Weg in die Zukunft

Für das Regime Lukaschenko stellt der Great Stone Industrial Park eine entscheidende Überlebensgarantie dar. Mit der Kooperation mit China möchte Lukaschenko sein Land zukunftsfähig machen und aus der ökonomischen Abhängigkeit Russlands befreien. Der Fokus der Regierung liegt auf High-Tech-Sektoren wie Materialforschung, Biotechnologie, Kommunikationstechnologien und Maschinenbau.

Die Ansiedlung ausländischer Unternehmen wird mit Steuervorteilen und der Aussicht auf einen Zugang zur Eurasischen Wirtschaftsunion (EEU) unter russischer Führung gefördert.

Der Park ist als Sonderwirtschaftszone projektiert, mit eigenen rechtlichen Rahmenbedingungen und einer Aussicht auf eine zehnjährige Befreiung von steuerlichen Abgaben. Bisher konnte die Regierung 56 Unternehmen vorwiegend aus Deutschland, Österreich und der Schweiz für eine Beteiligung im Great Stone Park gewinnen. Aus China nutzen die Technologiekonzerne Huawei und ZTE die attraktiven Konditionen und wollen hier ihre Logistikzentrale für den Handel mit der EU installieren.
Der Great Stone Industrial Park als Stadt der Zukunft

Die Pläne der Regierung in Belarus gehen allerdings noch weiter und sehen unter anderem den Aufbau einer Öko-Stadt vor, die in Hinsicht auf Nachhaltigkeit und Lebensqualität neue Standards setzen möchte. Für die 200.000 ausländischen Mitarbeiter und einheimischen Fachkräfte ist eine Stadt mit allen Finessen angedacht, welche die Attraktivität des Projekts erhöhen soll. Die zukünftigen Einwohner der Sonderwirtschaftszone profitieren daneben auch von steuerlichen Vergünstigungen wie einer reduzierten Einkommenssteuer.

Derzeit basiert das Zukunftsprojekt allerdings in erster Linie auf den chinesischen Investitionen. Und für China hat Belarus bereits aktuell eine herausragende Bedeutung. Nahezu 80 Prozent des Überlandtransports von chinesischen Gütern laufen über die Eisenbahnlinien des Landes, wie das German Economic Team Belarus feststellt. Damit ist Belarus für China bereits ein existenzieller Transitknotenpunkt im Handel mit der EU. Die Seidenstraße entpuppt sich derzeit aber noch als Einbahnstraße. Während die Container mit chinesischen Gütern gefüllt sind, kehren sie meist im Leerzustand nach China zurück. Lukaschenko hat deshalb das ambitionierte Ziel ausgegeben, die Exporte nach China bis zum Jahr 2025 auf 5 Milliarden Euro zu steigern.

Die Kooperation mit der Volksrepublik China soll Belarus vor allem aus der Abhängigkeit Russlands befreien, dessen Direktinvestitionen trotz aller Seidenstraßenpläne mit 4,5 Milliarden Euro immer noch weit vor den chinesischen Investitionen rangieren und das bis auf weiteres der entscheidende Handelspartner bleiben wird.

 

Ökonomische Bedeutung Chinas für Belarus

Die Investitionen Chinas und der forcierte Handel mit der Volksrepublik zeigen Wirkung. In der Handelsbilanz stieg China mit einem Handelsumsatz von 2,7 Milliarden Dollar zum viertgrößten Handelspartner von Belarus auf. Allerdings deutlich hinter Russland, der EU und der Ukraine. Dies bedeutet eine Steigerung von 58 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Richtung der Handelsströme macht ein Blick auf die chinesischen Exporte deutlich, die sich auf 1,8 Milliarden Dollar summierten. Obwohl die Regierung in Minsk das Engagement Chinas mit allen Mitteln fördert, besteht die Gefahr, dass sich das Land durch die ambitionierten Großprojekte überschuldet. Die chinesischen Kredite sichern der Führung in Peking einen wachsenden Einfluss auf die strategischen Entscheidungen der weißrussischen Führung.

Diese Tendenz zeigt sich deutlich durch einen, Ende des Jahres 2019 vergebenen Kredit der chinesischen Staatsbank über 500 Millionen Dollar. Diese Mittel sind nicht zweckgebunden und könne auch zur Bedienung von Altschulden herangezogen werden. Die Kreditnahme muss als Reaktion auf die Kontroverse mit Russland über eine weitergehende ökonomische Integration interpretiert werden. Der Abbruch der Verhandlungen hatte zu einer vorübergehenden Einstellung der russischen Erdöllieferungen geführt. Nur ein Notabkommen über die Lieferung des Grundbedarfs konnte damals die erheblichen innenpolitisch Probleme ausbleibender Öllieferungen kaschieren.

Das chinesische Modell der „Neuen Seidenstraße“ dient in erster Linie den chinesischen Wirtschaftsinteressen und birgt für die Projektpartner erhebliche Risiken hinsichtlich einer ökonomischen und politischen Abhängigkeit von Peking. Die Destabilisierung des Regimes Lukaschenko wird in nächster Zeit zu einer Gefährdung der weitreichenden Pläne führen. Die weißrussische Opposition betrachtet die Abkommen mit China mit erheblichen Bedenken hinsichtlich der Intentionen und Geschäftsstrategien der Chinesen.

 

Informieren Sie sich hier auch über unsere Logistikleistungen für China, Russland, und Belarus:

 

NTU& Transalex Network GmbH – Ihr Logistikpartner für Osteuropa und China

Bildquelle: Pixabay user:Chickenonline