Für E-Commerce Unternehmen stellt Russland einen aussichtsreichen Markt dar. Russische Eigenheiten und eine starke Konkurrenz machen die Ausbreitung auf dem vielversprechenden Markt Russland jedoch besonders schwierig. Wir haben uns einmal angesehen, wo die Potenziale in Russland liegen und mit welchen Risiken Händler in dem Riesenreich rechnen müssen.

Erst die Krise, dann der Boom

In den Jahren 2015 und 2016 erlebte der Online-Handel in Russland eine schwere Krise. Die Wachstumsraten sanken rapide und der vorangegangene Boom fand ein jähes Ende. Der Krise im E-Commerce vorausging eine allgemeine Wirtschaftskrise im Jahr 2014. Doch so plötzlich diese Krise über den Online-Handel hereinbrach, so schnell erholte sich die Branche wieder und wechselte erneut in den Modus des Rekordwachstums. In den kommenden vier Jahren rechnen Experten mit einem Umsatz-Plus von ca. 8 Prozent im Jahr. Auch die Inflationsraten haben sich in den vergangenen Jahren wieder erholt. Derzeit liegen sie relativ stabil bei weniger als drei Prozent. In der Krise hatte die Inflation dagegen zwischenzeitlich Werte von bis zu 17 Prozent erreicht.

Insgesamt ist der russische Markt ein attraktiver Ort für den E-Commerce. Schätzungen zufolge steigt die Zahl derer, die online auf Shoppingtour gehen jedes Jahr um bis zu 15 Prozent. Ecommerce Europe notierte für das vergangene Jahr einen Gesamtumsatz von fast 30 Milliarden US-Dollar für die Branche in Russland. Allein aufgrund seiner schieren Größe ist Russland noch immer ein attraktives Ziel für strategische Investitionen im E-Commerce. Schon heute bewegt sich der russische Konsum wieder auf dem selben Level wie vor der Wirtschaftskrise und die Daten sind vielversprechend. Eine aufstrebende Mittelschicht verspricht sich von westlichen Marken eine größere Teilhabe am luxuriösen Leben und will in Sachen Lebensstandard schnell aufholen. Getrübt werden diese Aussichten allerdings durch zahlreiche Hindernisse, die (Transport-)Unternehmen in Russland zunächst überwinden müssen.

Otto Group zieht sich zurück, Media-Saturn plant den Exit

Zwei große deutsche Unternehmen haben in der jüngsten Zeit zu spüren bekommen, dass die Behauptung auf dem russischen Markt eine Herausforderung sein kann. Der E-Commerce Riese Otto mit seinen russischen Marken Otto.ru und Quelle.ru plant für den Sommer die vorläufige Einstellung seines Russlandgeschäfts und auch der Elektronikkonzern Media-Saturn sucht nach einem Abnehmer für seinen russischen Zweig. Hier ist das Problem, dass aus Sicht der Deutschen auch auf lange Sicht eine Marktführerschaft kaum zu erreichen scheint. Für die Schwierigkeiten, denen deutsche Unternehmen auf dem russischen Markt begegnen gibt es verschiedene Gründe. Generell ist der Markt sehr kompetitiv und wird von billigen Anbietern aus China überschwemmt. Außerdem haben auch die russischen Konsumenten Eigenarten, an die sich westliche Unternehmen zunächst anpassen müssen, um unter den gegebenen Bedingungen erfolgreich zu sein. Dabei ist es oft wichtig, beim Markteintritt einen langen Atem zu haben und das Angebot auf die Bedürfnisse der Konsumenten abzustimmen. Ein Problem, vor dem zum Beispiel die Otto Group in Russland stand, waren die grundsätzlich schwierigen Umstände für Universalhändler mit mittlerem Preisniveau.

Kunden sind zurückhaltend und Preissensitiv

Zwei wesentliche Merkmale erschweren zudem den Start im russischen E-Commerce. Die Kundschaft achtet penibel auf niedrige Preise, was vor allem der starken chinesischen Konkurrenz nutzt und sie ist zurückhaltend. Bis sich ein Kunde zum Kauf in einem Shop entscheidet, besucht er ihn häufig einige Male zuvor und verschafft sich so einen intensiven Eindruck. Doch nichts ist in Russland so wichtig wie der Preis. Finde ein Kunde einen Artikel zu einem niedrigeren Preis auf einem anderen Shop, wechselt er in der Regel ohne Hemmungen sofort zum günstigeren Angebot. In dieser Hinsicht konnten vor allem chinesische Anbieter bei russischen Abnehmern punkten. Mit dem Boom nach der Krise löste China sogar Deutschland als wichtigsten Außenhandelspartner Russlands ab. Etwa 6,5 Milliarden Dollar des gesamten E-Commerce Umsatzes stammen aus dem Auslandshandel und hier zeigt sich besonders deutlich die Dominanz Chinas. Etwa 90 Prozent aller Auslandskäufe gehend auf Importe aus der Volksrepublik zurück. Ein Blick auf den Warenwert schränkt dieses Bild allerdings ein. Nur 50 Prozent des Umsatzes sind auf Käufe in China zurückzuführen. Das zeigt besonders deutlich, dass russische Kunden vor allem im niedrigen Preissegment bei chinesischen Anbietern kaufen. Vorne dabei ist der Online-Händler Alibaba, der aus dem Reich der Mitte heraus den Weltmarkt zu erobern sich vorgenommen hat.

Rechtliche Hürden bremsen am Anfang

Neben dem ungewohnten Kundenmilieu in Russland machen aber auch harte Barrieren den Markteintritt mühsam. Um sich erfolgreich durch das Dickicht aus Regulierungen, Standards und Exportbeschränkungen schlagen zu können brauchen Unternehmen vor allem am Anfang viel Geduld und eine ausreichende Kapitaldeckung. Waren müssen nach russischen Vorgaben zertifiziert werden, Umsatzsteuer und Zollaufschläge müssen durchkalkuliert werden und anschließend müssen die Strukturen mühsam an die russischen Gegebenheiten angepasst werden. Das erhöht vor allem den Preis für ausländische Produkte, den russische Konsumenten am Ende zahlen müssen. Weil gerade der Preis ein sensibler Faktor ist, bedeutet das einen langwierigen Prozess in dem Vertrauen aufgebaut werden muss und in dem sich neue Player auf dem Markt etablieren müssen.

Kleine Händler profitieren

Dass sich vor allem Riesen im E-Commerce nur schleppend an die eigenartigen Bedingungen in Russland anpassen können, ist für andere ein entscheidender Vorteil. Besonders kleinere Händler, die schnell und flexibel auf äußere Umstände reagieren können, profitieren von der Lücke, die im russischen Online-Handel herrscht. Dabei ist nicht nur die bereits erhebliche Sprachbarriere zu überwinden. Von den Vorschriften und Sanktionsregimes einmal abgesehen müssen Händler auch ganz praktisch auf die erwarteten Leistungen reagieren. So stellt die Nachnahme, in Deutschland eine vernachlässigte Zahlungsmethode in Russland die wichtigste Art der Zahlung von Online Erwerbungen dar. Wer es als kleinerer Händler schafft, diese russische Seele zu bedienen und interessante Produkte zu günstigen Preisen und angepassten Diensten anzubieten, kann schnell gegenüber Branchenriesen einen Vorschuss verdienen.

Auch große Konzerne werden weiterhin vertreten sein

Während Otto erst einmal den Rückzug seiner großen Marken einleitet, bleiben andere Teile der Familie im russischen Markt aktiv. Darunter sind zum Beispiel die zur Gruppe gehörenden Bonprix und Witt. Beiden ist der Markteintritt in Russland gelungen und die Umsätze zeigen ein stabiles Wachstum. Das Beispiel ist ein weiterer Beleg dafür, dass es für Marken entscheidend ist, sich an die besonderen russischen Gewohnheiten anzupassen, um Erfolg zu haben. Sie zeigen aber auch, dass sich dieser Erfolg dann auch tatsächlich einstellt.

Fazit: Großes Potenzial erfordert in Russland große Anpassungen

Insgesamt zeigt sich für die weitere Entwicklung des E-Commerce in Russland, dass die Zeichen auf Wachstum stehen. Davon können viele Unternehmen profitieren, wenn sie es schaffen, sich den Gegebenheiten des russischen Online-Handels anzupassen. Wenn es ihnen gelingt, die russischen Konsumenten von ihren Angeboten zu überzeugen, ist der Markteintritt auf jeden Fall vielversprechend. Weil die Bedingungen allerdings so anders sind als im Heimatmarkt und auch deshalb, weil viele rechtliche Fallstricke warten, sollten Unternehmen ihren Markteintritt in Russland mit einer zuverlässigen Expertise auf diesem Gebiet absichern. Das gilt einerseits für die geltenden Sanktionen für den Handel mit Akteuren in Russland und die relevanten russischen Rechtsvorschriften. Andererseits müssen Unternehmen aber auch die russischen Konsumenten kennenlernen, um im harten Wettbewerb mit niedrigpreisiger Konkurrenz aus Fernost bestehen zu können.
Für viele Unternehmen, ob großer Konzern oder kleiner Online-Händler bleibt das Riesenreich im Osten Europas ein vielversprechender Absatzmarkt mit großen Potenzialen. Gestützt wird diese Perspektive auch dadurch, dass sich die russische Währung, der Rubel, nach einem massiven Absturz wieder stabilisiert hat und somit Währungsrisiken nicht mehr abschreckend gefährlich wirken.

Die Zeiten für eine Expansion nach Russland sind derzeit jedenfalls gut und die Aussichten vielversprechend. Wer dem Konsumenten ein gutes Produkt anbieten kann und preislich nicht allzu weit über der Konkurrenz liegt, hat dabei auch die Chance, gegen die starke Konkurrenz aus China eine Existenz im russischen Online-Handel aufzubauen. Das gilt für Konzerne wie Otto genauso wie für kleine Händler, die in die Welt wachsen wollen.

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Ihr Team der TRANSALEX Internationale Spedition GmbH