In einer Zeit, in der globale Lieferketten durch Pandemien und Kriege zunehmend anfällig geworden sind, gewinnt die Wahl des richtigen Produktionsstandorts für Unternehmen an Bedeutung. Ein bemerkenswerter Trend ist die Rückkehr von Industrieunternehmen in die Nähe Europas. Dieser Trendnbietet osteuropäischen Ländern wie auch der Türkei neue Chancen.

Die geografische Lage der Türkei als Schnittstelle zwischen Europa und Asien ist ein entscheidender Vorteil für Unternehmen, die von den Standortvorteilen profitieren möchten. Insbesondere die Region Istanbul wird immer attraktiver für Unternehmen aus dem Textil- und E-Commerce-Bereich, die hier ihre Produktion aufbauen möchten.

Ein weiterer Aspekt, der die Attraktivität der Türkei als Produktionsstandort steigert, ist die massive Investition in die Infrastruktur des Landes. Über die letzten zwei Jahrzehnte wurden 184 Milliarden US-Dollar in den Ausbau von Straßen, Schienenwegen, Häfen und Flughäfen investiert. Diese Investitionen sollen die Türkei zu einem regionalen Logistikzentrum machen.

Die Türkei setzt einen klaren Schwerpunkt auf den Ausbau des Schienenverkehrs. Der Masterplan Mobilität und Digitalisierung, der bis 2053 reicht, sieht weitere Investitionen in die Schieneninfrastruktur vor. Ziel ist es, den Anteil des Schienenverkehrs am Güterverkehr von derzeit 5 auf 23 Prozent zu steigern. Gleichzeitig soll die Straßeninfrastruktur verbessert und die Effizienz von Transport und Logistik gesteigert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Luftfrachtverkehr, insbesondere durch Turkish Airlines. Die Fluggesellschaft plant, ihre Frachtkapazität innerhalb der nächsten zehn Jahre deutlich zu erweitern, um den Luftfrachtverkehr zu stärken.

Die Entwicklungen bieten Logistikunternehmen große Chancen. Insbesondere der Ausbau des mittleren Korridors, der die Türkei als neue Logistikdrehscheibe positionieren könnte, verspricht großes Potenzial.

Trotz der vielversprechenden Aussichten bleiben jedoch Risiken und Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf mögliche innenpolitische Spannungen und kurzfristige Gesetzesänderungen. Es ist wichtig, diese Entwicklungen genau zu beobachten und sich an die aktuellen Einschätzungen sowie Empfehlungen des Auswärtigen Amts zu halten, um mögliche Risiken zu minimieren.

Interview mit Enver Iskurt, stellvertretender Verkehrs- und Infrastrukturminister der Türkei. (Original erschienen auf dvz.de)

Welche strategischen Ziele für den Güterverkehr stehen im Mittelpunkt der Verkehrspolitik?

Unser Ministerium hat einen Masterplan für Verkehr und Logistik entwickelt, der die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele, Vorgaben und Strategien der Türkei umfasst. Unser Ziel ist es, die Türkei zu einem internationalen Zentrum für Verkehr und Logistik zu machen, das umweltorientierte, kosteneffiziente, sichere, ausgewogene und nachhaltige Mobilität zwischen den Regionen, multimodalen Transport, Produktion und exportorientiertes Wirtschaftswachstum unterstützt.

Wie beabsichtigen Sie, dieses Ziel zu erreichen?

Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir in die Verkehrs- und Logistikinfrastruktur investieren und den erforderlichen gesetzlichen Rahmen schaffen, um die Produktion mit hoher Wertschöpfung und die Exportorientierung zu fördern. Dabei geht es um einen fairen Zugang zu Verkehrs- und Logistikdienstleistungen, die Verbesserung der Qualität der Verkehrs- und Logistikinfrastruktur sowie die Steigerung der Effizienz von Transport und Logistik. Gleichzeitig streben wir eine Erhöhung der Energieeffizienz und Sicherheit an. Im Rahmen des bis 2053 ausgelegten Masterplans sind Investitionen in Höhe von 198 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Dabei steht die Schiene im Mittelpunkt: Ihr Anteil am Modal Split im Güterverkehr soll in diesem Zeitraum von derzeit 5 auf dann 23 Prozent steigen, während der Anteil der Straße von derzeit gut 71 auf 57 Prozent sinken soll – bei einem prognostizierten Anstieg des jährlichen Güterverkehrs von heute 55 auf 448 Millionen Tonnen.

Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie im Güterverkehr?

Zu den Herausforderungen im internationalen Straßenverkehr gehören die Probleme mit Transitdokumenten und Mautgebühren, insbesondere im Transitverkehr. Während es mit Ländern wie Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich reibungslos läuft, gibt es in einigen Ländern wie Österreich, Slowenien und Tschechien seit Jahren ungelöste Probleme mit Transitdokumenten. Die Krise zwischen der Ukraine und Russland hat dazu geführt, dass Polen zur wichtigsten Transitroute für den Zugang zu Ländern wie Lettland, Litauen, Estland, Finnland und Deutschland wurde, jedoch wurden die benötigten Transitdokumente nicht bereitgestellt. Dies hat negative Auswirkungen auf unseren Transport und Handel sowohl nach Deutschland als auch in die nordeuropäischen Länder.

 

Unser Fazit:

Die Türkei bietet mit ihrer strategischen Lage, der massiven Investition in die Infrastruktur und dem klaren Fokus auf den Ausbau des Schienen- und Luftverkehrs attraktive Standortvorteile für Industrieunternehmen und Logistikdienstleister. Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen ein deutliches Interesse von Unternehmen, ihre Produktion in der Türkei anzusiedeln, was neue Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bietet. Es ist entscheidend, diese Entwicklungen genau zu beobachten und sich flexibel auf mögliche Veränderungen einzustellen, um die Chancen optimal zu nutzen.

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Titelbild-Quelle: Vlad Man / Pixabay